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                    Eberstadt 
                     
                    Große Geschichte, die Eingang in die Geschichtsbücher fände,
                    ist hier nicht ausgegangen. Gleichwohl wurde Eberstadt in
                    mehr als zwölf Jahrhunderten von den Strömen der Zeit mehr
                    oder weniger berührt. Die kleine Einzelhofsiedlung südlich
                    der Modau zur Zeit Karls des Großen und den heutigen Darmstädter
                    Stadtteil verbindet eine abwechslungsreiche Geschichte, die
                    beispielhaft für die ganze Region steht. 
                     
                    Aus dem Dunkel der Geschichte tritt Eberstadt in einer Urkunde
                    vom 1. September 782, wo ein gewisser Walther und seine Gemahlin
                    Williswind dem Kloster Lorsch ihre hiesigen Güter übereignen.
                    Vielleicht ist jener fränkische Edle auch der Stifter der
                    alten Kirche, die baulich mehrfach verändert, noch heute als
                    Dreifaltigkeitskirche auf der Sanddüne steht. 
                     
                    Im 13. Jahrhundert kommt Eberstadt an die Herren von Frankenstein
                    und bleibt es für 400 Jahre. Die Frankensteiner, ihre Burg
                    wird 1252 erstmals erwähnt, sind die Ortsherren, Gerichts-
                    und Kirchenherren. Sie finden ihre Grablege in der alten Kirche,
                    wo noch heute Grabsteine, Wappen und Inschriften an diese
                    Zeit erinnern. Die Bemühungen der Landgrafen von Hessen-Darmstadt,
                    diese vor ihrer Residenz liegende kleine Herrschaft zu erwerben,
                    sind 1662 endlich erfolgreich. Die Frankensteiner verkaufen
                    ihren Besitz und ziehen nach Mittelfranken, wo das Geschlecht
                    noch heute blüht.  
                     
                    Doch zuvor müssen die Eberstädter im Dreißigjährigen Krieg
                    noch viel erdulden, brennen doch die Schweden 1635 fast das
                    ganze Dorf ab, und viele Einwohner, die sich ins befestigte
                    Darmstadt retten konnten, sterben dort an der Pest.  
                     
                    Über 40 Jahre dauert der Wiederaufbau, aber erst im 18. Jahrhundert
                    verbessert sich auch die soziale Lage der Einwohner in Eberstadt.
                    Der lebhafte Reiseverkehr durch den Ort lässt Handel und Gewerbe
                    aufblühen, und es entstehen längs der Hauptstraße viele große
                    Gasthöfe. Auch Goethe kehrt im Gasthaus „Zum Ochsen“ ein und
                    beginnt hier sein Tagebuch mit den Worten: „Eberstadt, den
                    30.10.1775. Hier läge denn der Grundstein meines Tagbuches“. 
                     
                    Pfarrer May, um Landwirtschaft und Seelsorge gleichermaßen
                    besorgt, wirbt mit den Worten „Wie reizend ist doch ihr Geschmack“
                    für den Kartoffelanbau und beschreibt die Eberstädter als
                    „offene und gewandte Köpfe mit eisernem Fleiß und genügsamer
                    Lebensart“. 
                     
                    Im 19. Jahrhundert verschafft der Anschluss an die neue Main-Neckar-Bahn
                    und die beginnende Industrialisierung Eberstadt eine bedeutende
                    Aufwärtsentwicklung. Die Einwohnerzahl nimmt stark zu und
                    es regt sich ein vielfältiges Vereinsleben. Das 1847 erbaute
                    Rathaus zeugt noch heute von dem Selbstbewusstsein der aufstrebenden
                    Gemeinde. 
                     
                    Nach 1900 zählt Eberstadt gut 6.000 Einwohner und hat sich
                    im Norden bis zur Gemarkungsgrenze ausgedehnt. Eine Dampfstraßenbahn
                    verbindet den Ort mit der nahen Landeshauptstadt. Ein eigenes
                    Wasserwerk, Gaswerk und Elektrizitätswerk entstehen in den
                    folgenden Jahren. Volksbibliothek, Volksbad, zwei neue Schulen,
                    vermehrte Industrieansiedlungen, Straßenbeleuchtung, eine
                    neue Friedhofshalle, sechs Brauereien und schließlich gar
                    der Versuch, Eberstadt zu einem Luftkurort zu machen, all
                    das lässt eine wirtschaftlich gesunde Gemeinde erkennen. 
                     
                    Schon bald nach dem Ersten Weltkrieg setzen Versuche ein,
                    Eberstadt nach Darmstadt einzugliedern. Zwar wehrt sich die
                    Gemeinde zäh dagegen, doch 1937 kann sie dem keinen Widerstand
                    mehr entgegenbringen. Am 1. April 1937 wird die bis dahin
                    selbstständige Gemeinde ein Teil von Darmstadt. Heute ist
                    Eberstadt ein selbstbewusster Stadtteil mit knapp 23.000 Einwohnern.
                    Ein vielfältiges Vereinsleben, reichhaltige bürgerschaftliche
                    Einrichtungen und eine landschaftlich schöne Lage machen es
                    zu einer bevorzugten Wohngegend mit guten Zukunftsaussichten.
                    (E.K.)  
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                    Die nachfolgenden geschichtlichen Aufsätze sind teilweise
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                    auch in lateinischer Druckschrift (lat.) abrufbar. Wer sich
                    mit der Vergangenheit beschäftigt, wird freilich nicht
                    umhin kommen, sich im Lesen der Frakturschrift zu üben,
                    denn immer wieder wird man bei älteren Druckwerken darauf
                    stoßen. Schließlich war die Fraktur für ein
                    halbes Jahrtausend das Kleid der deutschen Sprache. 
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